Bei jeder Geburt laufen verschiedene Phasen ab: zuerst die Wehenphase, dann die Austreibungsphase und zum Schluß die Nachgeburtsphase.
In dieser Phase wird zunächst der Geburtskanal geweitet und die Gebärmutter beginnt sich zu kontrahieren (Wehen). Die Wehen können bis zu einer Stunde andauern. Folgende Anzeichen sind bei der Stute festzustellen:
In dieser Phase sollten Sie die Stute aus einiger Entfernung beobachten und sie möglichst wenig stören.
In dieser Phase wird das Fohlen aus dem Geburtskanal geschoben. Dies läuft beim Pferd relativ schnell ab und sollte nicht länger als 20-30 min dauern. Folgendes ist in dieser Phase zu sehen:
In dieser Phase sollten Sie die Abfohlbox in aller Ruhe betreten. Im Normalfall braucht die Stute keine Hilfe und oftmals ist eine zu grobe oder unsachgemäße Zughilfe eher schädlich als nützlich! Allenfalls gegen Ende der Austreibungsphase kann man die Stute durch leichtes Ziehen des Fohlens nach hinten-unten unterstützen. Wichtig ist, daß dabei nur während einer Presswehe leicht mitgezogen wird.
In folgenden Situationen müssen Sie jedoch eingreifen:
Die Fruchtblase zerplatzt nicht beim Herauspressen des Fohlens (sehr selten). In diesem Fall müssen Sie diese selbst eröffnen!
Das Fohlen erscheint nicht in der oben beschriebenen Reihenfolge. Dann sofort den Tierarzt verständigen! Auch beim Pferd kommt es ab und zu vor, daß der Nachwuchs nicht richtig liegt (z.B. Sohlen der Vorderhufe zeigen nach oben, Hinterbeine kommen zuerst, ...). Sie sollten dann die Geburt verzögern, indem Sie die Stute zum Aufstehen bringen und führen.
Das Fohlen ist nach 30 min noch nicht vollständig geboren. Dann ebenfalls sofort Tierarzt rufen!
Die Eihäute bleiben auf den Nüstern und dem Maul des Fohlens hängen. In dieser Situation sollten Sie selber die Eihäute möglichst schnell wegschieben und die Nüstern und das Maul vorsichtig vom Schleim befreien, da das Fohlen ansonsten ersticken könnte!
Nachdem das Fohlen auf der Welt ist, sollten Sie sorgfältig darauf achten, daß das Fohlen zu atmen anfängt und die Atemwege frei sind. Reiben Sie das Fohlen etwas mit Stroh ab, um den Kreislauf anzuregen. Im Normalfall wird eine erfahrene Stute auch von selbst anfangen, das Fohlen abzulecken. Versuchen Sie die Stute dabei möglichst wenig zu stören und lassen Sie sie in Ruhe Kontakt zum Fohlen aufnehmen.
Die Nabelschnur sollten Sie nicht selbst durchtrennen. Bei einem normalen Geburtsverlauf reißt der Nabel an einer präformierten Stelle, ca. 3-4 cm von der Bauchdecke entfernt, ab. Meist geschieht dies bei den ersten Bewegungen des Fohlens nach dem Austritt aus dem Geburtskanal oder den ersten Aufstehversuchen. Eine vorherige Trennung ist nicht notwendig und sollte auch unterbleiben, da nach der vollständigen Entwicklung der Frucht noch eine große Menge Blut von der Mutterstute auf das Fohlen übertragen wird. Sollte der Nabel tatsächlich einmal nicht von selbst zerreißen, so sollte er in keinem Fall mit der Hand zerrissen werden, da es sonst zu Verletzungen der den Nabelgefäßen anhängigen Organe (Blase) kommen kann. Es empfiehlt sich ein sorgfältiges Abnabeln mittels einer Nabelklemme oder durch Abbinden.
In jedem Fall ist der Nabel zu desinfizieren. Hierfür eignet sich eine Jodlösung, die innerhalb der ersten 24 Stunden wiederholt aufgetragen werden sollte, um eine ausreichende Desinfektion und Austrocknung zu erzielen.
Wenn die Stute aufgestanden ist, binden Sie mit einem Strohband die Eihäute (Nachgeburt) hoch, damit die Stute nicht darauf tritt. Anschließend reinigen Sie die Stute (Hinterbeine, Scheide und Gesäuge) mit etwas Wasser und entfernen die verunreinigte Einstreu aus der Abfohlbox. Gegebenenfalls können Sie noch einen Ballen Stroh nachstreuen, damit das Fohlen sich in den ersten Lebensstunden in einer möglichst sauberen, trockenen Umgebung befindet.
Die Nachgeburt sollte möglichst innerhalb einer Stunde nach der Geburt abgegangen sein, allerspätestens jedoch nach 2 Stunden. Rufen Sie ansonsten sofort Ihren Tierarzt an! Binden Sie die heraushängenden Eihäute hoch, aber ziehen Sie auf keinen Fall daran. Wenn die Nachgeburt abgegangen ist, breiten Sie diese auf der Stallgasse aus und kontrollieren Sie sie sorgfältig auf Vollständigkeit. Sollten auch nur kleinste Stücke in der Gebärmutter verblieben sein, kann die Stute eine Gebärmutterentzündung entwickeln und häufig auch eine Geburtsrehe. Da dies für die Stute lebensbedrohlich werden kann, sollten Sie auch in diesem Fall sofort den Tierarzt verständigen! Bewahren Sie die Nachgeburt in einem Eimer o.ä. auf, damit der Tierarzt sie ebenfalls kontrollieren kann.
Nach einigen Minuten wird sich ein gesundes Fohlen in Brustlage begeben und 20-30 Minuten nach der Geburt die ersten Aufstehversuche machen. Normalerweise braucht es dabei keine Hilfe und etwa
eine Stunde nach der Geburt sollte es dies auch geschafft haben. Außerdem sollte es spätestens 2-3 Stunden nach der Geburt auch das Euter gefunden und getrunken haben. Falls es das Euter nicht
findet, können Sie ihm die sanft die Richtung weisen. Bei unerfahrenen Stuten kann es vorkommen, daß die Stute das Fohlen nicht trinken lässt und eventuell sogar nach ihm schlägt. Halten Sie die
Stute in einem solchen Fall am Halfter fest und versuchen Sie sie zu beruhigen. Sollte das Fohlen aufgrund von Fehlstellungen, einem mangelnden Saugreflex oder einer eventuellen Widersetzlichkeit der
Stute nicht innerhalb von 2-3 Stunden nach der Geburt trinken, so ist eine Versorgung mit Biestmilch (Kolostrum) durch Abmelken und Verabreichen mittels Flasche oder im Extremfall über eine
Nasenschlundsonde bis spätestens 6 bis 12 Stunden nach der Geburt unbedingt notwendig!
Pferde werden zwar prinzipiell „immunkompetent" geboren, was bedeutet, daß sie bereits von Geburt an Mechanismen besitzen, um sich gegen Krankheitserreger zu schützen. Allerdings ist die
Konzentration an Antikörpern im Blut neugeborener Fohlen bei weitem zu niedrig, um dem Infektionsdruck der „Außenwelt" standzuhalten. Sie sind also auf die Versorgung sogenannter maternaler
Antikörper angewiesen, die in hoher Konzentration in der Biestmilch (Kolostrum) vorhanden sind. Diese werden über den Darm des Fohlens in die Blutbahn aufgenommen und schützen es somit vor
Infektionen. Dieser Mechanismus zum Übertritt der Antikörper aus dem Darm ins Blut ist allerdings zeitlich begrenzt, so daß gerade in den ersten Lebensstunden eine Aufnahme von Kolostrum immens
wichtig ist.
Weiterhin sollten Sie darauf achten, daß das Fohlen das sog. „Darmpech" absetzt. Dabei handelt es sich um den Kot, der vor der Geburt produziert wird. Das „Darmpech" oder „Mekonium" wird zeitnah zur Geburt ausgeschieden, meist nach dem ersten Saugakt. Da das Mekonium aber eine recht feste und zähe Konsistenz aufweist, kommt es nicht selten zu Schwierigkeiten beim Absatz, v.a. bei Hengstfohlen. Sollte beim Fohlen einige Stunden nach der Geburt noch kein Abgang des Darmpechs beobachtet werden und zeigen es dafür ein vermehrtes Drängen oder „Schwänzeln", kann die Gabe eines Einlaufes (Klistier) notwendig sein. Viele Züchter wenden dieses bereits prophylaktisch nach jeder Geburt eines Hengstfohlens an, da eine Mekoniumverhaltung zu einer ernsten und mitunter lebensbedrohlichen Erkrankung des Fohlens führen kann.
Trotz guter Geburtsüberwachung und komplikationsloser Geburt von reifen und gesunden Fohlen kommt es gerade innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Geburt immer wieder zu Erkrankungen, die zum Verlust der Tiere führen können. Eine häufige Ursache hierfür sind Infektionen, die entweder vor, während oder unmittelbar nach der Geburt stattfinden. Durch ein gutes Management, sorgfältige Hygienemaßnahmen sowie eine umsichtige Erstversorgung des neugeborenen Fohlens können diese Risiken minimiert werden. Trotzdem sollten Stute und Fohlen am ersten Tag vom Tierarzt untersucht werden.
Die Notwendigkeit einer Medikamentengabe beim neugeborenen Fohlen ist von mehreren Faktoren (allgemeine Verfassung des Fohlens, Geburtsverlauf, Erstaufnahme von Kolostrum) abhängig. Bei der bei vielen Züchtern bekannten „Fohlenimpfung" handelt es sich meist um Injektionen von Tetanus-Serum, Fohlenlähme-Mischserum, aber auch Vitaminpräparaten, Paramunitätsinducern oder in einzelnen Fällen Antibiotika.
Obwohl eine Prophylaxe mit Fohlenlähme-Mischserum und Tetanus-Serum sicherlich einige Berechtigung hat und auch die Paramunitätsinducer sich in der Praxis bewährt haben, ist diese Art der Behandlung nicht unumstritten.
Der Einsatz von Antibiotika unterliegt im Allgemeinen strengen Indikationskriterien. Diese können zum Beispiel die Geburt in eine Umgebung mit hohem Infektionsdruck (Risikobestand), Geburtsverletzungen oder die sehr späte Aufnahme von Kolostrum und die daraus resultierende niedrige Antikörperkonzentration im Blut des Fohlens sein. Die Antikörperkonzentration kann über einen Bluttest (Cite-Test, Glutaraldehyd-Test) ermittelt werden. Dieser Test ist grundsätzlich bei allen Fohlen zu empfehlen. Falls eine Therapie mit Antibiotika begonnen wird, sollte sie entsprechend den allgemeinen Leitlinien für den Einsatz antimikrobieller Substanzen, über einen Zeitraum von mehreren Tagen weitergeführt werden, um dem Auftreten von resistenten Erregern vorzubeugen.
|
|
|